Sozialauswahl

Bei der betriebsbedingten Kündigung hat der Arbeitgeber gemäß § 1 Abs. 3 KSchG soziale Kriterien bei der Auswahl des zu kündigenden Arbeitnehmers zu berücksichtigen.

Bei der Ermittlung der Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmern müssen zunächst die vergleichbaren Arbeitnehmer ermittelt werden. Dies erfolgt regelmäßig nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen. Vergleichbar sind dabei nur Arbeitnehmer einer Hierarchieebene. Unterschiedliche Hierarchieebenen dürfen nicht miteinander verglichen werden.

Vergleichbar sind in der Regel Mitarbeiter, deren Arbeiten dem jeweiligen Mitarbeiter, der gekündigt werden soll, arbeitsvertraglich zugewiesen werden kann.

Da in den meisten Arbeitsverträgen sogenannte Versetzungsklauseln vereinbart sind, die es dem Arbeitgeber gestatten, den Arbeitnehmer auch in andere Abteilungen mit anderen Aufgaben zu beschäftigen, die seinen Kenntnissen und Fertigkeiten entsprechen, besteht oft eine viel größere Vergleichbarkeit mit anderen Arbeitnehmern, als dies vermutet wird. Es besteht daher ein hohes Risiko für den Unternehmer nicht alle miteinander vergleichbaren Arbeitnehmer in die Sozialauswahl einbezogen zu haben.

Sobald der vergleichbare Arbeitnehmerkreis identifiziert ist, erfolgt die soziale Auswahl nach den nachfolgenden Kriterien:

  • Dauer der Betriebszugehörigkeit
  • das Lebensalter
  • die Unterhaltspflichten und
  • die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers

Die einzelnen Kriterien müssen angemessen gewichtet werden. Das nachfolgende Punktesystem wurde von dem Bundesarbeitsgericht als sozial gerechtfertigt akzeptiert:

Betriebszugehörigkeit:

bis 10 Jahre: 1 Punkt pro Jahr

ab dem 11. Jahr: 2 Punkte pro Jahr

maximal Zeiten der Betriebszugehörigkeit bis zum vollendeten 55. Lebensjahr und damit maximal 70 Punkte

Lebensalter:

pro Lebensjahr: 1 Punkt

maximal 55 Punkte

Unterhaltspflichten:

pro unterhaltsberechtigtem Kind: 4 Punkte

Verheiratetenstatus: 8 Punkte

Behinderung:

Schwerbehinderung bis 50 %: 5 Punkte

Schwerbehinderung über 50 % sowie Erwerbsminderung:  5 Punkte plus jeweils 1 Punkt pro 10% der Erwerbsminderung

Der Arbeitgeber muss bei seiner Sozialauswahl nur diejenigen Kriterien berücksichtigen, die ihm bekannt sind. Der Arbeitgeber hat keine Nachforschungspflicht.

Ist dem Arbeitgeber bei der Berechnung ein Fehler unterlaufen, kann sich der Arbeitnehmer auf die fehlerhafte Sozialauswahl nur berufen, wenn er bei korrekter Anwendung der Sozialkriterien nach dem Punktesystem nicht hätte gekündigt werden dürfen. Wäre der Arbeitnehmer auch bei korrekter Anwendung des Punktesystems gekündigt worden, ist die Kündigung nicht wegen fehlerhafter Sozialauswahl unwirksam, da der Fehler bei der Sozialauswahl nicht ursächlich war.

Sozialauswahl und Altersgruppen

In vielen Sozialplänen, die zwischen dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat vereinbart werden, erfolgt die Sozialauswahl in Altersgruppen. Dies dient dazu, im Betrieb eine ausgewogene Altersstruktur zu erhalten. Das Bundesarbeitsgericht hat diese Bildung von Altersgruppen im Rahmen der Sozialauswahl gebilligt. Sie stellen nach der Auffassung des Bundesarbeitsgerichtes weder einen Verstoß gegen das Verbot der Altersdiskriminierung durch die Richtlinie 2000/78/EG dar noch gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), da die Erhaltung einer ausgewogenen Altersstruktur ein legitimes Ziel gemäß § 10 S. 1 AGG darstelle. Der Arbeitgeber ist jedoch nicht berechtigt, eine ausgewogene Altersstruktur zu schaffen, sofern eine solche noch nicht besteht.

Interessenausgleich, Sozialplan und Namensliste

Sofern betriebsbedingten Kündigungen eine Betriebsänderung im Sinne von § 111 BetrVG darstellen, wird bei Vorhandensein eines Betriebsrats in der Regel zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ein Interessenausgleich und Sozialplan verhandelt.

Wenn in einem Sozialplan geregelt ist, wie die sozialen Gesichtspunkte im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, kann dies nur noch auf grobe Fehlerhaftigkeit durch die Gerichte überprüft werden (§ 1 Abs. 4 BetrVG). Damit steht nicht mehr der Arbeitgeber in der Beweislast, vielmehr ist es der Arbeitnehmer, der nachweisen muss, dass die realen Auswahlkriterien nicht angemessen gewichtet wurden.

Ist ein Interessenausgleich abgeschlossen worden zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat und ist Interessenausgleich eine sogenannte Namensliste der zu kündigenden Arbeitnehmern beigefügt, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Dies bedeutet, dass es dem Arbeitnehmer obliegt, Gründe darzutun, weswegen die Kündigung ungerechtfertigt ist. Eine solche Kündigung ist für den Arbeitnehmer erheblich schwieriger anzugreifen, insbesondere, weil ihm zahlreiche interne Informationen hierzu fehlen.